Offenes Fenster zu fernen Kugelstern- und Galaxienhaufen
Die Tageslänge erreicht im Mai 16 Stunden, denn die Sonne durchläuft die nördlichsten Bereiche der Ekliptik in den Sternbildern Widder und Stier: der Wonnemonat läutet die Zeit der Feiern im Freien ein. Wenn dann am Monatsende die Zeit der „Weißen Nächte“ beginnt, wird es in Richtung Norden selbst um Mitternacht nicht mehr völlig dunkel. Die letzte der drei Dämmerungsphasen erreicht kein Ende, weil die Sonne weniger als 18° unter den Nordhorizont absinkt. Als Dämmerung gilt ja der Zeitraum, in dem Restlicht von der untergegangenen Sonne, an verschiedenen Teilchen in unterschiedlichen Höhen unserer Atmosphäre gestreut, noch sichtbar ist. Abseits von hellen Lichtquellen lässt sich das faszinierende Farbenspiel am Dämmerungshimmel verfolgen, bei dem eine gewisse Abfolge erkennbar ist. In der bürgerlichen Dämmerung kann man im Freien noch Zeitung lesen, während über dem Südosthorizont der dunkle Erdschattenbogen beobachtet werden kann. In der nautischen Dämmerung ist neben den hellsten Sternen noch der Horizont zu sehen. Diese Phase wurde auf See zur Positionsbestimmung mit einem Sextanten ausgenutzt. In dieser Zeit entfaltet sich auch die sogenannte „Blaue Stunde“, die in ländlichen Gebieten als „Dämmerstündchen“ genossen wurde.
Der Neumondtermin in der Nacht zum 21. Mai ist deswegen bedeutsam, weil sich dann die dunkle Scheibe unseres Trabanten vor die Sonne schiebt. Da sich der Mond im erdfernsten Bereich seiner Bahn befindet, kann er die größere Sonnenscheibe nicht völlig abdecken. Es kommt zu einer ringförmigen Sonnenfinsternis, wobei ein eindrucksvoll leuchtender Ring von Hongkong über Tokio bis zu den westlichen Teilen der USA bewundert werden kann. Das Himmelsereignis spielt sich genau südlich der überstrahlten Plejaden ab, die Anfang Mai bei uns gerade noch in der hellen Abenddämmerung vor ihrem Verschwinden unter den Horizont erspäht werden können.
Der Mond selbst rückt wieder verstärkt in den Fokus wissenschaftlicher Untersuchungen, denn der Nachweis von Wassereis in 40 polnahen Kratern und die überraschende Diskussion über einen speziellen lunaren Wasserkreislauf lassen für die Zukunft spannende Entwicklungen erwarten.
Kurz nach dem ersten Viertel befindet sich der Erdtrabant am Maifeiertag weit südlich vom auffälligen Planeten Mars und dem hellen Stern Regulus im Löwen und geht am 4. Mai südlich vom Planeten Saturn und der westlicher stehenden hellen Spica in der Jungfrau vorbei. Die Vollmondphase im Sternbild Waage am 6. Mai ist in Erdnähe, daher erscheint der Vollmond besonders groß. Das letzte Viertel wird tief über dem Südhorizont am 12. Mai erreicht. Danach erklimmt die schmaler werdende abnehmende Sichel wieder nördlichere Positionen. Einen Tag nach Neumond überholt die noch sehr schmale Sichel des zunehmenden Mondes den Planeten Venus, der ab diesem Zeitpunkt vom bloßen Auge in der hellen Abenddämmerung kaum noch erfasst werden kann, südlich in zehn Monddurchmessern Abstand. Zum zweiten Mal steht der Mond dann am Monatsende in der zunehmenden Halbmondphase wieder südlich von Mars und Regulus. Dabei lässt sich während der Tage davor, wie in den Vormonaten, das aschfarbene Mondlicht sehr gut beobachten.
Von den hellen Planeten bleiben Merkur und Jupiter den ganzen Mai wegen ihrer Nähe zur Sonne für das bloße Auge nicht sichtbar. Auch in diesem Monat bleibt der Ringplanet Saturn ein wunderbares Beobachtungsobjekt, das nach seiner Oppositionsstellung im April jetzt schon vor Mitternacht seine günstigste Position zur Beobachtung in Südrichtung erreicht. Dann kann das sich von Jahr zu Jahr weiter öffnende eindrucksvolle Ringsystem mit der auffälligen schwarzen Cassinischen Teilung sowie der Umlauf der fünf helleren Saturnmonde bestaunt werden. Mars wird für die Teleskopbeobachtung zunehmend weniger attraktiv, da seine Entfernung von der Erde am Monatsende auf 177 Millionen km angewachsen ist und deswegen Details auf der Oberfläche immer schwieriger zu beobachten sind.
Dafür zeigt der Planet Venus in diesem Monat eine spannende Dynamik. Er ist am Monatsanfang von Sonnenuntergang bis zum Verschwinden unter dem Westhorizont, den ganzen Monat nach Mitternacht, strahlender Abendstern. Sie zeigt noch ihre größte Helligkeit und kann daher von scharfsichtigen Menschen am Taghimmel mit bloßem Auge noch leicht aufgefunden werden. Im Fernrohr zeigt Venus Phasengestalt wie der Mond, wobei der Planet am Monatsanfang eine Sichel mit 25% beleuchteter Oberfläche, kurz vor seinem Verschwinden aber zunehmend größer erscheint. Anfang des Monats läuft die Venus so weit nördlich, wie es der Sonne nicht möglich ist und wie die Venus selbst erst wieder in acht Jahren.
Die Frühlingssternbilder sind gekennzeichnet durch das Dreieck der hellen Sterne aus Regulus im Löwen, dem orangefarbenen Arktur im Bootes und der Spica in der Jungfrau. Sie stehen im Mai in der besten Beobachtungsposition in Richtung Süden, während sich die Milchstraße wenig auffällig in Horizontnähe entlang zieht. Damit wird von der Erde aus der Blick nach außen auf weiter entfernte Objekte jenseits der Spiralarme unserer Milchstraße möglich. Kugelsternhaufen sind sehr alte Objekte, die bis zu einer Million Sterne enthalten können und noch zu unserer Milchstraße gehören. Die helleren der beobachtbaren Galaxien sind in Gruppen angeordnet und gehören in den Einflussbereich des Virgo- Galaxiensuperhaufens wie übrigens auch unsere Milchstraße und der Andromedanebel. Das Zentrum dieses viele Tausend Galaxien umfassenden Systems befindet sich in etwa 60 Millionen Lichtjahren Entfernung. Einzelne Gruppen von Galaxien in den Sternbildern Großer Bär, Jagdhunde, Löwe, Haar der Berenike und Jungfrau liegen mit unterschiedlichen Abständen in Richtung des Zentrums. Dabei sind für deren Beobachtung die mondlosen Stunden am besten geeignet.