Sternstunden im Turm: Augen-und-Ohr-Methoden: Eine Geschichte der Gleichzeitigkeit

Sonntag, 16. August 2015, 20 Uhr

Im Dialog mit
Jan Philip Müller
über Augen-und-Ohr-Methoden: eine Geschichte der Gleichzeitigkeit

Herzliche Einladung zum dritten Abend der diesjährigen Reihe "Sternstunden im Turm", gemeinsam organisiert von Juko Marburg e.V. und Parallaxe und Sternzeit e.V.!

Mit dem Transitinstrument wurden im 18. und 19. Jahr­hundert Sternpositionen anhand ihrer Meridian-Durch­gangszeiten bestimmt.Im Jahr 1823 berichtet der Königsberger Astronom Friedrich Wilhelm Bessel von ei­nem seltsamen Vor­fall in der Geschichte der Greenwicher Sternwarte: Der dortige Astro­nom Nevil Maskelyne war 1795 bei der Überprüfung von Tabellen der Sternbeob­achtung darauf gestoßen, dass sein Assis­tent, David Kinnebrook, unglücklicherweise begonnen hatte, die Sternbewegungen bis zu 8 Zehntelsekunden spä­ter zu beobachten als er selbst, und hatte ihn daraufhin entlas­sen. Doch Bessel hat den Verdacht, dass das Problem nicht in der besonderen Renitenz dieses Gehilfen zu suchen ist: Was wäre, wenn die ‚Ver­spätung‘ Kinnebrooks an der verwendeten „Augen-und-Ohr-Methode“ selbst liegt, bei der, um die Sternpositionen zu einer bestimmten Zeit festzustellen, der Stern durch das Fernrohr gesehen während gleichzeitig die Uhrzeit durch das hörbare Ti­cken einer Uhr mitverfolgt werden muss. Kommen viel­leicht bei allen Astronomen das Hören und das Sehen auf jeweils unter­schiedliche Weise zusammen? Das, so Bessel, sei eine Frage, die „nicht nur in Beziehung auf die astro­nomischen Beobachtungen eine genauere Untersuchung verdient, sondern auch in anthropologischer Hinsicht äußerst merkwürdig zu seyn scheint“.

So beginnt die Geschichte der sogenannten „Persönli­chen Gleichung“, die Geschichte ei­nes unerwarteten Zusammentreffens astronomischer Präzisionsin­strumente mit dem Nachdenken über die Sinne und über das Funktionieren von Wahrneh­mung. In dieser Geschichte stellen sich Fragen wie: Was ist eigentlich Gleichzeitigkeit? Und wenn „gleichzeitig“ für verschiedene Beobachter und de­ren unterschiedliche Sinne etwas anderes ist, was würde dann „Jetzt“ oder „die Gegenwart“ genau be­deuten? Wenn man Bessels Entdeckung als Episode in einer Geschichte audio-visueller Techniken ver­steht, in denen es um die Gleichzeitigkeit von Sehen und Hören geht, dann reicht diese Geschichte vom ‚Sternenkino‘ bis zum Tonfilm.

Jan Philip Müller ist Kultur- und Medienwissenschaftler und forscht zur Geschichte auditiver und visuel­ler Medien an den Schnittstellen von Ästhetik-, Technik- und Wissensgeschichte. 

Eintritt 7€. Vorverkauf ab 3. August: MTM-Ticket-Shop, Pilgrimstein 26, Tel.: 06421-991212

 

Datum: 

16.08.2015 - 20:00
Augen-und-Ohr-Methoden: Eine Geschichte der Gleichzeitigkeit